Gemeinde Fußach

Zusammenfassung

Umbruch macht langjährige Versäumnisse sichtbar

In der Rheindelta Gemeinde Fußach kam es im Jahr 2020 sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung zu personellen Veränderungen. Der langjährige Bürgermeister trat nicht mehr zur Wahl an, eine neu aufgestellte Liste erhielt die Stimmenmehrheit. Der 40 Jahre in der Gemeinde tätige Finanzleiter ging in Pension. Er war mit umfangreichen Aufgaben befasst, ab Ende 2013 auch im Personalwesen. Der Landes-Rechnungshof führte neben der Gebarungsprüfung auch eine forensische Untersuchung durch. Dabei erschwerte eine mangelhafte Dokumentation und Datenqualität die Analysen erheblich. Wesentliche Unterlagen fehlten bzw. waren nicht auffindbar, teils verwahrte sie der ehemaligen Finanzleiter ausschließlich privat. Die Protokollierung von Vorstandsbeschlüssen erfolgte unzureichend. Gemeindeorgane überschritten mehrfach ihre Zuständigkeiten, indem sie z.B. Geschäfte außerhalb ihrer Wertgrenzen genehmigten. Auf Grund von Mängeln in der Buchführung und den Rechnungsabschlüssen waren Gremien nicht ausreichend über finanzielle Angelegenheiten informiert. Die Gemeinde behob zudem Beanstandungen der Aufsichtsbehörde über Jahre nicht.

Verwaltung neu aufstellen, Kontrollsysteme einführen

Die Amtsleitung blieb über viele Jahre unbesetzt, die Aufgaben wurden formal nicht anderen Bediensteten übertragen. Die Verantwortung dieser bedeutenden Position kam somit dem Bürgermeister zu. Er nahm seine Aufsichts- und Kontrollpflicht jedoch nicht genügend wahr. Organisatorische Regelungen wie Stellenbeschreibungen fehlten weitestgehend. Auch der Prüfungsausschuss übte seine Kontrollrechte nicht hinreichend aus, obwohl eindeutige Anzeichen dies erfordert hätten. Der Landes-Rechnungshof zeigte schwerwiegende Defizite in der Organisation und im Internen Kontrollsystem auf, grundlegende Prinzipien wurden missachtet. So vereinte der Finanzleiter in mehreren Kernprozessen die Rolle der entscheidenden, ausführenden und kontrollierenden Stelle. Für nahezu alle Bankkonten bestanden Einzelzeichnungsberechtigungen. Im Zahlungsverkehr war kein Vier-Augen-Prinzip gegeben, im Online-Banking umging es der Finanzleiter. Eine Neuorganisation der Gemeindeverwaltung ist rasch vorzunehmen, dabei sind auch Möglichkeiten weiterer Kooperationen, etwa für Finanzen oder Baurecht, zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist die Implementierung eines funktionierenden Internen Kontrollsystems dringend notwendig. Anzustreben sind verwaltungseffiziente Abläufe sowie organisatorische oder technische Maßnahmen zur Risikoreduktion. Dafür sollten bewährte IT-Systeme wie das landesweit verwendete elektronische Aktenverwaltungssystem eingesetzt werden. Die Buchführung hat ausschließlich im dafür vorgesehenen Programm zu erfolgen.

Grundlegende Defizite im Personalwesen beheben

Im Bereich der Personalverwaltung bestanden bei Dienstverträgen, Anstellungsverhältnissen und Personalakten wesentliche Mängel wie Kettenverträge oder Entlohnungen mittels Wertgutscheinen ohne sozialversicherungsrechtliche Anmeldung. Eine elektronische Zeiterfassung führte die Gemeinde erst im Jahr 2021 ein. Bis dahin dokumentierten Beschäftigte ihre Arbeitszeit in manipulierbaren Dateien. Problematisch ist auch das gemeindeeigene sogenannte Funktionsebenenmodell, das die dienstrechtliche Kompetenz der Gemeindeorgane im sensiblen Bereich der Entlohnung hin zu einer einzigen Person verlagert. Der Landes-Rechnungshof kritisiert auffallend hohe Zulagen bei Mitarbeitenden im Finanzbereich, teilweise ohne rechtliche Grundlage, sowie enorme Vergütungen für Überstunden. Der Leiter agierte in der Gehaltsverrechnung ohne Kontrolle. Dadurch konnte er sich über Jahre nicht angeordnete, aber teils vom Bürgermeister geduldete und großteils nicht belegbare Stunden auszahlen. Im Prüfzeitraum erfasste er Überstunden täglich, u.a. an Sonn- und Feiertagen, Tagen mit einer Krankmeldung oder Urlaubshalbtagen. Teilweise basierten seine Auszahlungen auf einem selbst entwickelten Altersteilzeitmodell, das weder bekannt noch in den Gremien behandelt worden war.

Mit Veranlagungen spekuliert, hoher Verlust im Prüfzeitraum

Die finanzielle Lage von Fußach ist gut. Die Pro-Kopf-Verschuldung lag deutlich unter dem Durchschnitt der Vergleichsgemeinden, die Rücklagen um ein Vielfaches darüber. Allerdings wurden finanzielle Spielräume sowie ausgesetzte Tilgungen für risikoreiche Veranlagungen der Gemeinde und der Immobilien KG in Millionenhöhe genutzt, beispielsweise zum Handel mit Aktien ausländischer Unternehmen. Vor Jahren hatte der Bürgermeister den Finanzleiter mit dem Veranlagungsmanagement betraut. Beiden fehlten aber die Befugnisse, weil die zuständigen Gremien weder befasst noch notwendige Beschlüsse eingeholt worden waren. Der Finanzleiter tätigte sämtliche Transaktionen und veräußerte im Herbst 2019 im Alleingang den vollständigen Wertpapierbestand von beinahe € 8,5 Mio. Mit den Veranlagungen verstieß die Gemeinde sowohl gegen selbst auferlegte Vorgaben als auch das Spekulationsverbotsgesetz, welches seit Juli 2014 u.a. für Finanzgeschäfte von Gemeinden gilt. Weder wurde das darin verankerte Vier-Augen-Prinzip eingehalten, noch beschränkten sich die Geschäfte auf zulässige Veranlagungsformen. Bürgermeister und Finanzleiter nahmen dies bewusst in Kauf, ebenso das Risiko eines Verlusts öffentlicher Gelder. Der Schaden für Fußach lag im Prüfzeitraum über € 1,8 Mio. Die Gemeinde sollte rechtliche Schritte gegen Beteiligte einleiten. Dazu sind weitere Aufklärungen auch im Zusammenhang mit dem größten Einzelverlust notwendig, der mehrere Fragen aufwirft. Umgehender Handlungsbedarf besteht zudem bei steuerlichen Aspekten hinsichtlich Kapitalerträgen. Aktuelle Entwicklungen erfordern ein nachhaltiges und besonnenes Wirtschaften. Eine risikoarme Veranlagung ist jedenfalls sicherzustellen, auch für ausgegliederte Rechtsträger.